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Die Erbauung Michaeliskirche in Buttstädt

Um 1500 muss die Kirche dann wohl nicht mehr genügt haben. War sie in zu schlechten Zustand geraten, war sie zu klein geworden für eine angewachsene Einwohnerschaft, entsprach sie nicht mehr der Bedeutung der bekannten Markt- und Handelsstadt oder...

Das Thüringer Landstädtchen Buttstädt, nordöstlich von Weimar zwischen Ettersberg und Finne gelegen, erscheint dem Besucher als eine Stadt auf dem Berge. Nach drei Seiten hin fällt das Plateau steil ab, auf dem sich die Ortschaft befindet.
Buttstädt kann auf eine über 1225-jährige beurkundete Geschichte zurückblicken. In dem Besitzverzeichnis des Klosters Hersfeld, das auf Abt Lullus († 17. Oktober 786) zurückgeht, findet sich neben vielen anderen Gemeinden auch Buttstädt vermerkt als Ort, in dem das Kloster begütert war.
Wenn eine alte Überlieferung stimmt, dann ist allerdings bereits vorher der Thüringen- und Deutschlandmissionar Bonifatius (672/673-754) im Ort gewesen und hat einen Altar geweiht. Dazu passt, dass Stadt und Stadtkirche in dem Erzengel Michael, dem Drachentöter, den gleichen Patron haben. In einer Zeit, in der Christentum und Heidentum miteinander um den Verstand und die Herzen der Menschen rangen, versicherte man sich gerne der Mithilfe des streitbaren Engelfürsten, der als Vorkämpfer des alt- und des neutestamentlichen Gottesvolkes gilt. Freilich, ob der genannte Altar sich unter einem Dach befand, wie es altkirchliche Bestimmungen als Mindestgebot vorschreiben, oder in einer Kapelle, vor der sich die Gemeinde zum Gottesdienst versammelte oder eben in einer Kirche war, die man sich auch nicht zu groß vorzustellen hätte, entzieht sich gänzlich unserer Kenntnis.
Was den Vorgängerbau der heutigen Michaeliskirche anbelangt, so wissen wir von den im jetzigen Baukörper erhaltenen Resten, dass es sich um einen romanischen Bau gehandelt hat, der vor 1250 errichtet worden ist. So finden wir an der Nordseite unter dem ersten und zweiten Fenster des Hohen Chores vom Kirchenschiff her gesehen gut behauene und sorgfältig in den Verband gelegte Natursteine, die von der Bauplanung her unverputzt bleiben sollten. Das verweist uns eben auf die Romanik. Auch der Treppenturm auf der Südseite des Gotteshauses neben dem Kirchturm (Höhe 56 m, bis zum Umgang 40 m) weist uns in die gleiche Zeit.
Um 1500 muss die Kirche dann wohl nicht mehr genügt haben. War sie in zu schlechten Zustand geraten, war sie zu klein geworden für eine angewachsene Einwohnerschaft, entsprach sie nicht mehr der Bedeutung der bekannten Markt- und Handelsstadt oder spielten alle Gründe eine Rolle? Tatsache ist, so sagt die spätmittelalterliche Bauinschrift unter dem Ostfenster des Hohen Chores, dass am 2. Pfingstfeiertag 1510 dort der Grundstein gelegt worden ist zu der jetzigen auf vergrößertem Grundriss errichteten Kirche.

Wie das äußere Erscheinungsbild erkennen lässt, wollte man ganz offenbar eine gotische Kirche erbauen. Das belegen die Strebepfeiler zwischen den hohen, spitz- bogigen Fenstern des Chorraumes, die dazu gedacht sind, den Druck von Innengewölben abzuleiten. Man hat sich dann mit der Fertigstellung des Bauwerkes bis 1551 Zeit gelassen. Der Grund für diese Verzögerung ist in Vergessenheit geraten. Am Geld kann es eigentlich nicht gelegen haben, da die Stadt in dieser Zeit eine Stadtmauer errichten ließ und am Rathaus gebaut wurde. Auf Gottesdienste in angemessenem Rahmen brauchte die Einwohnerschaft freilich nicht zu verzichten.
Mit der Johanneskirche in der östlichen Vorstadt stand noch ein Gotteshaus zur Verfügung, das ab 1538 neben der gottesdienstlichen Nutzung zugleich als Begräbniskirche der ganzen Stadt diente. Dies bot sich an, weil im Zusammenhang mit dem Neubau der Stadtkirche der innerstädtische Friedhof gänzlich aufgegeben wurde. Schon zu dieser Zeit muss sich
abgezeichnet haben, dass der zur Verfügung stehende Begräbnisplatz allerdings bald nicht mehr ausreichen würde. Noch bevor das 16. Jahrhundert sich dem Ende neigte, war das eingetreten. Die notwen- dige Erweiterung des Friedhofs führte wohl zur Gestaltung als Camposanto, einem Kreuzgang nachgebildeten Bestat- tungsort, wie wir es bei dem Buttstädter Alten Friedhof heute noch vor Augen haben. Das frei gewordene Areal auf der Nordseite des Neubaus der Michaeliskirche wurde dann als Kornmarkt genutzt.


Der Kornmarkt mit St. Michael von Norden
Als dann die Gemeinde am 29. September 1551, dem Gedenktag des Erzengels Michael, die neue Kirche in gottesdienstlichen Gebrauch nahm, lebte man in einer anderen Zeit. 1517 hatte die Reformation begonnen, 1522 verschaffte sich Georg Spalatin (1484-1545), der Freund Luthers (1483-1546) und Ratgeber Kurfürst Friedrich des Weisen von Sachsen (1463- 1525) vor Ort ein Bild über den Fortgang der evangelischen Sache; 1525 waren die Visitatoren in unserem Gebiet unterwegs und ordneten das neue Kirchenwesen.

In der schlichten Eleganz und der Rückführung auf das Ursprüngliche und Wesentliche in der Formensprache der Renaissance hatte die Reformation einen bildhaften Ausdruck des eigenen Wollens gesehen. Die drei Renaissanceportale der Michaeliskirche wirken wie steingewordenen Titeleinfassungen zu ungezählten Buchdrucken dieser Zeit.
Wie das Gotteshaus bei seiner Fertigstellung 1551 im Inneren ausgesehen hat, ist nicht überliefert. Da sich im Mauerwerk des Hohen Chores keine Konsolsteine gefunden haben, die als Auflage für die Gewölbebögen gedient haben könnten, lässt sich vermuten, dass das Gotteshaus bei seiner Ingebrauchnahme eine flache Decke aufwies. Vielleicht war es sogar eine Kassettendecke mit tiefen Profilen, wie sie für die Renaissance so typisch gewesen ist sind.


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